Geo-Targeting hat sich in den vergangenen Jahren zu einem unerlässlichen Instrument des Online-Marketings entwickelt, um Produkte oder Dienstleistungen noch besser auf den Nutzer anzupassen. So ist es dem jeweiligen Unternehmen mit Einsatz dieser Technik möglich entsprechende Rückschlüsse auf die geografische Herkunft des Nutzers zu ziehen.

Der Anwendungsbereich für dieses Verfahren ist sehr breit gefächert und reicht von Geoblocking (z.B. auf YouTube.com) bis hin zu Maßnahmen im Bereich des Geomarketings, wie z.B. das Anzeigen eines Werbebanners in einer bestimmten Region. Dabei ist bekannt, dass eine absolute Standortbestimmung derzeit noch nicht möglich ist. Gerade im Online-Marketing kommt es nach wie vor zu Streuverlusten. Das diese zumeist geringen Streuverluste künftig wohl mehr in den Fokus rücken, musste nunmehr ein Kabelnetzbetreiber vor dem Bundesgerichtshof (Urt. v. 28.4.2016 – I ZR 23/15) schmerzlich erfahren.

Welcher Sachverhalt lag dem Streit zu Grunde?

Die Parteien stritten darüber, ob die Werbeanzeigen des beklagten Kabelnetzbetreibers auch außerhalb von Baden-Württemberg und damit außerhalb des Gebiets, indem die beworbenen Internetanschlüsse verfügbar waren, abgerufen werden konnten. Die Beklagte hatte Werbebanner mithilfe der Geo-Targeting-Technik eingebunden, so dass 95 % der Abrufe des Werbebanners aus Baden-Württemberg kamen. 5 % der Abrufe (Streuverlust) seien aber nach Angabe der Beklagten außerhalb ihres Netzgebietes erfolgt.

Werden Verbraucher in die Irre geführt?

Der Bundesgerichtshof folgte der Ansicht des Berufungsgerichts. Die Revision blieb mithin ohne Erfolg. Die Richter des ersten Senats sahen in der Anzeige der Bannerwerbung außerhalb des eigentlichen Vertriebsgebiets eine Irreführung der Verbraucher über die räumliche Verfügbarkeit der Leistungen der Beklagten. Für die Verbraucher außerhalb von Baden-Württemberg ist es nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass sich die Dienstleistungen der Beklagten ausschließlich auf ihr Netzgebiet beschränken. Hieran ändert auchder Bestandteil „BW“ im Unternehmenskennzeichen der Beklagten nichts.Wer im Internet überregional wirbt, für den Verbraucher jedoch nicht erkennbar ist, dass die Leistung nur regional verfügbar ist, erweckt schlichtweg einen falschen Eindruck.

Auch wenn nur 5% der Abrufe aus Gebieten kamen, in denen die Dienstleistung nicht abrufbar ist, reicht dies zur Annahme einer relevanten Irreführung aus. Wörtlich erklärt der 1. Zivilsenat:

„Der lauterkeitsrechtlichen Erheblichkeit der Irreführung steht nicht entgegen, dass die Beklagte nach ihrer vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Behauptung ein Geo-Targeting-Verfahren verwendet, durch das mit einer Genauigkeit von 95% Verbraucher aus Baden-Württemberg erreicht werden, die allein die Beklagte als Kunden für ihre Leistungen gewinnen will. Die von der Beklagten grundsätzlich unerwünschte Ausstrahlung ihrer Werbung in Gebiete, in denen sie ihre Leistung nicht anbietet, ist kein unter Umständen unerheblicher „Ausreißer“, sondern ein Streuverlust, der von der Beklagten bewusst in Kauf genommen wird, obwohl sie eine Irreführung durch einen Hinweis auf die räumliche Verfügbarkeit ihres Angebots ohne weiteres ausschließen könnte.“

Fazit:

Die Entscheidung des BGH führt einmal mehr vor Augen, dass der bloße Einsatz von technischen Verfahren wie dem Geo-Targeting-Verfahren nicht ausreichend ist, wenn deren Unzulänglichkeiten bekannt sind. Anstatt einen Streuverlust von 5 % hinzunehmen, wäre ein Hinweis auf die räumliche Begrenzung des Angebots auf dem angezeigten Werbebanner ein möglicher Weg gewesen, eine Irreführung von Verbrauchern zu vermeiden.

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